diff --git a/content/blog/2025/02/2025-02-22_stellungnahme-jugendzeltplatz/index.md b/content/blog/2025/02/2025-02-22_stellungnahme-jugendzeltplatz/index.md new file mode 100644 index 0000000000000000000000000000000000000000..49f9004fbf440bc5d373540d436f158bac0ff63b --- /dev/null +++ b/content/blog/2025/02/2025-02-22_stellungnahme-jugendzeltplatz/index.md @@ -0,0 +1,132 @@ ++++ +title = "Jugendzeltplatz Bonn soll schließen: So sehen wir das" +authors = ["nik"] + +[taxonomies] +tags = ["Ankündigung"] +zielgruppe = ["Lehrkräfte und Schulen", "Eltern"] +aspekt = ["Freizeiten"] + +[extra.depiction] +image = "jzp-sharepic.jpg" +alt = "Kinder beim Volleyballspielen auf einem Beachvolleyballfeld mit Wiese" +credits = "Dominik George" ++++ + +Die Kassen der Stadt Bonn sind leer. Deshalb soll im neuen Haushalt gespart werden – unter anderem +an der Förderung des Jugendzeltplatzes. Eine Schließung des Platzes wäre die Folge. Als Bonner +Verein, der jedes Jahr sein Hauptangebot auf dem Jugendzeltplatz durchführt, haben wir dazu +eine klare Meinung. + +<!-- more --> + +## Besondere, alternativlose Möglichkeiten auf dem Jugendzeltplatz + +Seit 2019 veranstaltet unsere Teckids-Gemeinschaft jedes Jahr die größte Sommerfreizeit +für Kinder und Jugendliche im Bereich der digitalen Bildung auf dem Jugendzeltplatz +Bonn. Vorher hatte unser Sommerangebot meistens in der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg +mit einem angeschlossenen Übernachtungsangebot entweder in der Jugendherberge Bonn oder +dem Basecamp-Hostel stattgefunden. Diese beiden Optionen werden in der Presse auch als +mögliche Alternativen für Jugendgruppen angeführt. + +An den vier Tagen unserer Sommerfreizeit [Hack'n'Sun](https://hacknsun.camp/) nehmen die Kinder und Jugendlichen zwischen +9 und 16 Jahren hauptsächlich wegen der Workshops teil, die tagsüber stattfinden und in denen +vorwiegend technische Kompetenzen aus den Bereichen Elektronik, Programmierung und anderen +digitalen Themen vermittelt werden. Obwohl dieser Teil der Veranstaltung durchaus auch an einem +anderen Ort stattfinden könnte, trifft das auf alle weiteren Programmpunkte nicht zu. Die Umgebung +des Jugendzeltplatzes ist für ein "Technik-Camp" außergewöhnlich, schließlich stellt man sich +klassischerweise Jugendliche vor Computern in einem Rechnerraum vor. Als Teckids-Gemeinschaft +legen wir den größten Wert jedoch auf den Gemeinschaftsaufbau zwischen den Jugendlichen und darauf, +dass sie sich so frei und offen wie möglich mit den Themen, die sie interessieren, auseinandersetzen. + +> Ich verbinde den Jugendzelplatz mit Hack’n’Sun, auf das ich mich jedes Jahr freue. Keine +> Jugendherberge kann aus meiner Sicht das gleiche Ergebnis wie in der Natur Campen bieten, mit Lagerfeuer +> und allem. +> +> *Lian van Waegeningh (14), langjähriger Teilnehmer und Mitgestalter Hack'n'Sun* + +Bei unserem Camp auf dem Jugendzeltplatz stellen die Workshops also lediglich einen recht kleinen +Aspekt dar. Die Jugendlichen verbringen etwa 5 Stunden am Tag in ihren Workshops; den Rest der Zeit +verbringen sie mit gemeinsamem Volleyballspielen, mit Freizeit am Lagerfeuer, der Beteiligung an +Vorbereitungen und Hilfstätigkeiten in der Küche und vielem mehr. Mit unserem Umzug auf den Jugendzeltplatz +haben wir dabei zahlreiche und beeindruckende Veränderungen im Verhalten der Teilnehmenden beobachtet. + +Während vorher, in Basecamp und Jugendherberge, vorwiegend passiv an vorbereiteten Angeboten teilgenommen +wurde, werden alle Teilnehmenden auf dem Jugendzeltplatz sehr aktiv in ihrer Tages- und Freizeitgestaltung. +Die Auseinandersetzung mit unseren Themen findet weit über die Workshopphasen hinaus statt. Die Kinder, +die nachmittags unter Anleitung Programmieren gelernt haben, sitzen abends noch mit Laptop am Lagerfeuer +und entwickeln, ganz ohne äußere Vorgaben, eigene Spiele. Dabei bilden sie Teams mit anderen Kindern, die +sie erst bei unserer Sommerfreizeit kennengelernt haben. All das geschieht ohne extrinsiche Motivation durch +unsere pädagogischen Mitarbeiter\*innen, sondern ausschließlich dadurch, dass sich die Kinder in einer +offenen, einladenden, motivierenden Umgebung befinden. + +> Die Kinder und Jugendlichen lernen dabei neben dem Umgang mit Technik auch den in der Natur, +> und eigenverantwortliches Handeln und verbringen den ganzen Tag gemeinsam mit anderen draußen. So etwas +> lässt sich durch andere Angebote nicht ersetzen. +> +> *Jonathan Weth, Mitglied der AG Veranstaltungsrahmen* + +## Aktiv werden für Eigenverantwortung und Selbstbestimmung + +Der kritische und hinterfragende Umgang mit digitalen Werkzeugen ist der Hauptfokus unserer Aktivitäten. +Wir halten es für wichtig, dass sich junge Menschen eigenverantwortlich mit Fragen der digitalen Mündigkeit, +der informationellen Selbstbestimmung sowie persönlichem Datenschutz auseinandersetzen. Medienpädagog\*innen +haben dabei in klassischen Formaten kaum Chancen, zu den jungen Menschen durchzudringen, da durch die +manipulative Gestaltung großer sozialer Netzwerke und durch die Übermacht von Digitalkonzernen in den +Schulen ein großer sozialer Druck hin zu kommerziellen, konsumorientierten Angeboten besteht. + +Durch die offene, zur Gemeinschaft einladende Umgebung des Jugendzeltplatzes kommt es bei +unseren Veranstaltungen hingegen regelmäßig zu sehr fundierten und ausgiebigen Diskussionen in den +Gruppen. Die Impulse, die schon sensibilisierte Jugendliche oder Mitglieder unserer Aktiven-Gemeinschaft +geben, führen von selber dazu, dass sich Gesprächsrunden am Lagerfeuer bilden und hier untereinander +und mit Expert\*innen kritisch und aktiv diskutiert wird. + +Der Erfolg hiervon ist messbar: Auch nach unserer Freizeit bleibt die Gemeinschaft zusammen, diskutiert +online weiter und berät darüber, wie sich digitale Grundrechte bspw. in der Schule oder anderen +Vereinen durch- und umsetzen lassen. Damit ist ein signifikanter Erfolg für Eigenverantwortung, +Selbstbestimmung und letztendlich ein Bewusstsein für die Werte unserer freiheitlich-demokratischen +Grundordnung entstanden. + +## Selbstwirksamkeit als wichtiges Erlebnis + +Der Jugendzeltplatz bietet demnach unzählige Möglichkeiten und Chancen, die Jugendherbergen oder ähnliche +Einrichtungen nicht bieten können. Insbesondere sind die meisten Verhältnisse dort von außen vorgegeben. +Starre Räume, von der Jugendherberge als Dienstleistung zubereitete Mahlzeiten, fremde Schlafräume – +das alles weckt nicht im Ansatz so viel Selbstwirksamkeit und Freiheitsgefühl wie die Umgebung des Jugendzeltplatzes. + +> Es ist eine einzigartige Atmosphäre, die bei vielen für Begeisterung sorgt. Spontane Volleyball-Spiele, +> eine Nachtwanderung durch den Wald oder eine Pause mit einem Buch an der frischen Luft. Alles das macht für mich +> jede Veranstaltung auf dem Jugendzeltplatz angenehmer als an anderen Orten. +> +> *Benedict Suska, langjähriger Teilnehmer und Mitgestalter Hack'n'Sun* + +Als Pädagogen können wir nicht deutlich genug betonen, welchen Wert eine einladende, gestaltbare Umgebung hat. +Alleine schon die Tatsache, dass die meisten Kinder und Jugendlichen auf dem Jugendzeltplatz ihr eigenes +Zelt mitbringen und sich dieses, je nach Belieben, mit Freunden oder Geschwistern teilen, macht einen großen +Unterschied. Es steht damit ein vertrauter und intimer Rückzugsort zur Verfügung. Ein Jugendherbergszimmer +hingegen ist ein fremder, anonymer Aufenthaltsort, den man sich zudem regulär mit mehreren, meist fremden, +Kindern teilen muss. Auch die Bindung an durch Fremde eingerichtete "Workshopräume", im Gegensatz zu einer großen, +von allen mitgestaltbaren, Fläche, lädt nicht maßgeblich zu einem eigenverantwortlichen und selbstbestimmten +Umgang ein. + +Alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen machen Erfahrungen von unschätzbarem Wert, wenn sie eine Veranstaltung +auf dem Jugendzeltplatz organisieren und erleben. Das Erleben der Selbstwirksamkeit im freien Gestaltungsraum +führt schon am ersten Tag dazu, dass Abläufe – wie z.B. das Spülen von Geschirr, das Entsorgen von Müll, der +respektvolle Umgang miteinander und das aktive Einbinden anderer in Aktivitäten – von selber und ohne extrinsische +Motivation von Leiter\*innen funktionieren. Es ist also sichtbar, welche pädagogischen Auswirkungen die +Umgebung hat, und diese Auswirkungen sind stärker als jeder direkte Impuls durch Leiter\*innen. + +Ganz unabhängig davon, in welchem Kontext und welchem Themengebiet Kinder und Jugendliche +Gestaltungsfreiraum, Eigenverantwortung, Selbstbestimmung und Selbstwirksamkeit erfahren, ist +diese Erfahrung immer ein wichtiger Baustein in der Entwicklung junger Menschen auf dem +Weg zu Persönlichkeiten, die Verantwortung für sich und andere übernehmen und unsere +Gesellschaft bewusst mitgestalten – eine Fähigkeit, die gerade in einer Zeit, in der +auch unsere demokratische Grundordnung immer aktiver verteidigt werden muss, unbedingt mit +allen Mitteln gefördert werden muss. + +Die Schließung des Jugendzeltplatzes würde der Region einen einmaligen und unersetzbaren +Ort nehmen, an dem Jugendliche wie nirgendwo sonst Freiheit, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung +ausprobieren und erfahren können. + +**Wir fordern die Oberbürgermeisterin Frau Dörner sowie den Stadtrat daher auf, andere Möglichkeiten zu +prüfen und zu ermöglichen, die Förderung des Jugendzeltplatzes auch im neuen Haushalt aufrechtzuerhalten.** diff --git a/content/blog/2025/02/2025-02-22_stellungnahme-jugendzeltplatz/jzp-sharepic.jpg b/content/blog/2025/02/2025-02-22_stellungnahme-jugendzeltplatz/jzp-sharepic.jpg new file mode 100644 index 0000000000000000000000000000000000000000..ee498e31bc4cd411ddb46924af2c75778c76c826 Binary files /dev/null and b/content/blog/2025/02/2025-02-22_stellungnahme-jugendzeltplatz/jzp-sharepic.jpg differ